Advent

Zum ersten Mal allein in dem großen Haus, auf dem Grundstück. Wir halten auf dem Weg dorthin in der Dorfmitte an. Die Schreie von herumalbernden Teenagern verstärken die Stille nur noch. Später auf einem Spaziergang sind wir selbst die einzigen, die die Ruhe der Felder stören. Das Rascheln von Jacken und das Aufstapfen von Schuhen bedeuten an diesem Ort Krach. Man ist wirklich da. In Berlin auf der Straße verschwindet man in den Geräuschen, wenn man nicht laut ruft.

IMG_9878.JPG

Möhren reiben, gekochte Kartoffeln reiben, eine Schale Legemehl dazu. "Niemand sonst füttert Hühner so wie wir. Aber hier wurden die Hühner schon immer so und nicht anders gefüttert", sagt mein Cousin. Luxus-Hühner, die sich, auch wenn sie etwas pikiert gucken, streicheln lassen. Luxus-Hühner, die mich aufgebracht angackern, als am Morgen Schnee im Garten liegt. Lieber bleiben sie drin. 12 Eier an einem Wochenende.

IMG_9903.JPG

Ein Pellet-Ofen in der Küche, ein Kamin im Wohnzimmer: Ständig darf ich Holz nachlegen, Holz holen, Holz nachlegen. Was für ein großes Glück. Auf dem Küchenofen brodelt später ein Gulasch vom diesjährigen Bullen, der nun in Portionen geschnitten in der randvollen Tiefkühltruhe wohnt und mit jedem Mahl geehrt wird. Der Kreislauf hier aus Tieren, Menschen und Garten gestattet es außerdem, dass nichts umkommt, ohne dass man selbst unter Zwang stünde, immer alles aufessen oder sich anderweitig begrenzen zu müssen. Eine Art von Perfektion, die mich mit demselben Hochgefühl erfüllt wie ein guter philosophischer Beweis.

IMG_9916.JPG

Wir gehen im Dorf Glühwein trinken. Augenwinkel überlegen, wer wir wohl sind. Schmalzgebäck auf Sachsen-Anhaltinisch.

IMG_9906.JPG

Unser neues Wohnzimmer unterm Dach misst 9 x 5 Quadratmeter. Zuerst Vollmond, dann Schnee.

IMG_9927.JPG

Was dieser Ort, die anders gearteten Tätigkeiten, der stete Wechsel zwischen draußen und drinnen mit mir tun, merke ich, als mir nach vielen Stunden Facebook wieder einfällt. Der Gedanke, mal nachzusehen, kommt und geht auch schon wieder, in einer einzigen Bewegung. Die äußere Ruhe wird zur inneren. Und das, was man jetzt gerade tut, reicht einem hin.

IMG_9926.JPG

Der alte Hund kann zwar nicht mehr so springen, aber die den Hunden eigene überschäumende Freude zeigt sich trotzdem in jeder Bewegung, im freudigen Winseln, im dankbaren Blick. Es ist schwer, in Gegenwart eines Hundes, der einem wohlgesinnt ist, melancholisch zu sein. Ja, wir gehen spazieren. Und so gehen wir durch weiße Schneestille, die nun noch tiefgreifender ist als am Vortag. Ich mit Kapuze im Gesicht gegen den Schneefall folgen wir einer anderen Mensch-Hund-Spur. Sonst nichts. Die Fotos werden ganz ohne Filter schwarzweiß. Sogar der Raubvogel, der in Zeitlupe von einem nahen Baum abhebt und das Wunder seines langsamen Fluges vorführt, ist Schwarzweiß. Der alte Hund und ich, wir schauen uns einen Moment an, dann geht jeder weiter in seiner Spur und seiner eigenen Welt.

IMG_20171203_142347354.jpg